Mobile Helfer für Vorsorge und Therapie
Universitätsklinikum Bonn plädiert für zügige Digitalisierung in der Krebsmedizin
Im Gesundheitswesen geht der Trend verstärkt in Richtung vernetzter Strukturen und mobiler Endgeräte. Für Vorsorge und Therapie sind bereits zahlreiche Apps erhältlich. Einige davon, die sogenannten Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA), können seit 2020 vom Arzt verordnet werden. Auch in der Krebsmedizin kommt die Entwicklung der digitalen Anwendungen zügig voran. Das Centrum für Integrierte Onkologie Bonn (CIO Bonn) am Universitätsklinikum Bonn (UKB) zusammen mit dem Johanniterkrankenhaus hat diese Entwicklung unter Führung des UKB zum Thema des diesjährigen Krebs-Informationstags gemacht. Am vergangenen Samstag konnten sich ca. 400 Interessierte und Betroffene ausführlich über die Bedeutung und Vorteile der mobilen Helfer und viele andere Themen einer modernen Krebsmedizin informieren.
Apps zur Vorsorge, Therapiebegleitung oder Videosprechstunde werden immer gefragter. Aus Daten der EPatient Survey 2020 (repräsentativ für 92 Prozent der Internetnutzer) geht hervor, dass elf Prozent, also 7,9 Millionen Patientinnen und Patienten, über eine App zum richtigen Umgang mit verordneten Arzneimitteln verfügen, beispielsweise Erinnerungssysteme. Fünf Prozent nutzen eine App oder ein Online-Programm bereits sogar zur Behandlung in der Klinik oder Reha.
„Der Wandel hin zur mehr Digitalisierung in der Krebsmedizin erweist sich jetzt schon als sehr nützlich – sowohl für die Patientinnen und Patienten als auch für das Klinikpersonal“, sagt Prof. Peter Brossart, Direktor und Vorstandsvorsitzender CIO Bonn, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik III – Abteilung für Onkologie, Hämatologie, Immunonkologie, Stammzelltransplantation und Rheumatologie am UKB. Er führt ein Beispiel an: „Es gibt z.B. eine amerikanische Studie¹, die belegt, dass Krebspatienten, die während einer Chemotherapie ein digitales Symptomtagebuch führten und bei Verschlechterungen ihre Pflegenden in Echtzeit informiert haben, länger lebten als die Patientinnen und Patienten der Kontrollgruppe, die ihre behandelnden Ärzte über die Verschlechterungen in Telefonaten oder bei regelmäßigen Kontrollterminen informierten.“
Dennoch müssen Patientinnen und Patienten – wie auch bei jeder digitalen Anwendung – auf die Qualität der Angebote achten. PD Dr. med. Zenker, Ärztlicher Leiter der Stabsstelle Medizinisch-Wissenschaftliche Technologieentwicklung und -koordination (MWTek) am UKB, erläutert: „Eine hochwertige App oder ein anderes digitales Hilfsmittel stellt selbst zwar keine Diagnose und schlägt auch keine Therapieoptionen vor. Digitale Anwendungen – mit einem geeigneten Zertifikat – können Diagnostik und Therapie unterstützen, ersetzen aber nicht Ärztin und Arzt. Verspricht eine App etwas anderes, ist Vorsicht geboten. Auch sollten Patient*innen sehr genau prüfen, welche ihrer vertraulichen Gesundheitsdaten sie bei der Nutzung medizinischer Apps wem zur Verfügung stellen.“
Prof. Ingo Schmidt-Wolf, Direktor der Abteilung für Integrierte Onkologie am UKB, mahnt ebenfalls zu mehr Sorgfalt, vor allem beim Thema Datenschutz. „Die Patientendaten sind ein sensibles Gut, das beim Erwerben mancher Anwendungen bei fehlender Umsicht in die falschen Hände gelangen könnte. Weniger problematisch sind Apps mit dem Ziel, die Lebensqualität von Krebspatienten zu verbessern.“
Personalisierte Krebsmedizin dank Digitalisierung
Gerade in der Onkologie ist eine Vernetzung mit anderen Disziplinen essentiell. Nur dann ist eine exzellente, ganzheitliche und personalisierte Krebsmedizin möglich. „Am CIO Bonn sind deswegen 61 verschiedene Kliniken, Institute und Abteilungen des UKB an der Behandlung unserer Krebspatientinnen und -patienten beteiligt. In sogenannten Tumorboards besprechen die interdisziplinären Fachvertreterinnen und -vertreter individuell die besten Behandlungsoptionen für jeden Patienten,“ so Prof. Wolfgang Holzgreve, Ärztlicher Direktor und Vorstandsvorsitzender am UKB. Zusätzlich nehmen sich Patientenlotsen am CIO Bonn Zeit für persönliche Fragen, Nöte und Sorgen.
Die Digitalisierung spielt auch bei der Personalisierung eine entscheidende Rolle. Prof. Y.-D. Ko, Ärztlicher Direktor, Chefarzt Innere Medizin I am Johanniter-Krankenhaus in Bonn und Co-Direktor im Comprehensive Cancer Center CIO Bonn, führt aus: „Patienten aus der gesamten Region müssen auf der einen Seite Kenntnis und Zugang zu komplexen High-End-Therapieverfahren am Onkologischen Zentrum haben und auf der anderen Seite eine optimale Behandlung wohnortnah erfahren können. Am Zentrum können so unter anderem in klinischen Studien weitere Fortschritte erzielt werden. Wohnortnah können innovative Standardverfahren eingesetzt werden, ohne dass die Patientinnen und Patienten weite Strecken auf sich nehmen müssen. Die Digitalisierung, insbesondere Telematikstrukturen, kann dabei sehr gut unterstützen.“
Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) nehmen die Krebserkrankungen in der Bundesrepublik Deutschland mit ca. 230.000 Todesfällen pro Jahr nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen den zweiten Platz in der Rangfolge der Todesursachen ein. Die Zahl der jährlich neu auftretenden Krebserkrankungen ist insbesondere infolge des Alterungsprozesses der deutschen Bevölkerung gestiegen. Derzeit ist die häufigste Krebserkrankung bei Männern der Prostatakrebs, gefolgt vom Lungen- und Darmkrebs, bei Frauen der Brustkrebs, gefolgt vom Darm- und Lungenkrebs. Jährlich erkranken insgesamt etwa 492.000 Menschen neu an Krebs, Das Überleben hängt vielfach vom Zeitpunkt der Entdeckung einer Krebserkrankung ab. Je früher Krebs erkannt und die oder der Betroffene einer qualifizierten Behandlung zugeführt wird, desto größer ist die Aussicht auf einen Heilerfolg.
¹Basch E. et al: Overall Survival Results of a Trial Assessing Patient-Reported Outcomes for Symptom Monitoring During Routine Cancer Treatment.JAMA. 2017;318(2):197-198
Bildnachweis: AdobeStock
Pressekontakt:
Prof. Dr. Ingo Schmidt-Wolf
Direktor der Abteilung für Integrierte Onkologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: +49 228 287-17048
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Daria Siverina
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: +49 228 287-14416
E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
CIO Bonn des Universitätsklinikums Bonn
Das Centrum für Integrierte Onkologie (CIO Bonn) ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn und des Johanniter- Krankenhauses Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute des UKB zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller bösartigen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund „Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf“ die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.