Hilfe bei genetischer Veranlagung für Dickdarmkrebs
Ärzte am Universitätsklinikum Bonn geben 33-Jährigen mit Lynch-Syndrom eine Chance auf ein zweites Leben
Bonn, 07. Juli 2022 – Ein positiver Gentest auf das Lynch-Syndrom, einem erblich bedingt erhöhten Risiko hauptsächlich für Dickdarmkrebs, traf Manuel S. wie ein Schlag. Schnelle Hilfe fand der 33-Jährige am Nationalen Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen (NZET) des Universitätsklinikums Bonn (UKB). Auf Rat des Ärzteteams unterzog er sich einer Magen-Darm-Spiegelung. Obwohl es keinerlei Anzeichen gab, wurde bei dem sehr fitten 33-Jährigen Dickdarmkrebs diagnostiziert, der noch nicht gestreut hatte. Nach zeitnah erfolgter Operation ist Manuel S. kurz darauf körperlich genauso leistungsfähig wie vorher und gilt derzeit als geheilt.
„Mit ihrer Beharrlichkeit hat meine Mutter mir ein zweites Mal das Leben geschenkt“, sagt Manuel S. Sie leidet an Dickdarmkrebs, ausgelöst durch einen Defekt in einem Gen, das für die Reparatur der menschlichen Erbsubstanz DNA zuständig ist. Da sie befürchtet, dass auch ihr Sohn diese vererbbare Veranlagung trägt, drängt sie Manuel S. zu einem Gentest auf das „Hereditäre nicht-polypöse kolorektale Karzinom (HNPCC)“ – kurz Lynch-Syndrom. Kinder von Betroffenen haben ein Risiko von 50 Prozent ebenfalls die krankhaft veränderte Erbanlage, fachsprachlich Mutation, zu haben und damit auch das hohe Risiko schon in jungen Jahren an Dickdarmkrebs zu erkranken. Aber auch andere bösartige Tumore unter anderem im Dünndarm, Magen und auch in der Gebärmutterschleimhaut treten bei Mutationsträgern gehäuft auf.
„Ich habe richtig Glück gehabt, dass der Krebs jetzt weg ist!“
„Es ist kein Gottesurteil. Denn wird das Lynch-Syndrom erkannt, dann kann der Betroffene nur noch gewinnen“, sagt Prof. D. Christian Strassburg, Direktor der Medizinischen Klinik I für Innere Medizin am UKB. Daher fordert er in Deutschland Dickdarmkrebs-Patienten niederschwelliger auf das Tumorveranlagungs-Syndrom zu untersuchen und nicht nur bei einem Alter unter 50 Jahren oder familiärer Vorgeschichte. „Wichtig ist, dass im Rahmen der Vorsorge auch an erblichen Darmkrebs gedacht wird“, konstatiert Prof. Dr. Jacob Nattermann, Leiter der Sektion Hepatogastroenterologie an der Medizinischen Klinik I des UKB. Doch auch die Bereitschaft der Angehörigen, sich auf das Lynch-Syndrom zu testen, ist gering, wie anfangs bei Manuel S: „Wenn man jung und fit ist, denkt man nicht an Krebs.“
Bei dem jungen Darmkrebspatient griff ein Rad passgenau in das andere
Nach seinem positiven umfänglichen Gentest mit Mutationsanalyse – durchgeführt vom Institut für Humangenetik am UKB mit begleitender genetischer Beratung – drängt das Ärzteteam der Ambulanz für erbliche Tumorerkrankungen der Medizinischen Klinik I bei Manuel S. vorsorglich auf eine zeitnahe Magen-Darm-Spiegelung. „Trotzdem war ich erschrocken, als wir in seinem Dickdarm Krebs fanden. Denn unser Patient ist jung, hatte keine Symptome und war in seinem körperlich anstrengenden Beruf voll leistungsfähig. Die in Deutschland übliche Darmkrebsvorsorge ab 50 Jahren hätte er wahrscheinlich nicht mehr erlebt“, sagt Dr. Robert Hüneburg, Oberarzt der Medizinischen Klinik I am UKB. Dann ging alles sehr schnell. Ein sofortiges CT klärte, dass der Krebs nicht gestreut hatte, und zwei Wochen später wurde Manuel. S. von einem Team der Chirurgischen Klinik am UKB erfolgreich operiert
Intensive Krebsvorsorge ist Pflicht
„Menschen mit bekanntem genetischen Befund sollten engmaschig, dem hohen Risiko angemessen betreut werden. Die entsprechende Expertise gibt es aber nur in spezialisierten Zentren wie unserem NZET, in denen Humangenetik, Innere Medizin und Chirurgie eng zusammenarbeiten“, betont Prof. Nattermann. Auch wenn Manuel S. momentan geheilt ist, muss er zukünftig alle ein bis zwei Jahre zur Krebsvorsorge und in Betreuung der Ambulanz für erbliche Tumorerkrankungen am UKB bleiben. „Allen hier liegt die Arbeit am Herzen und ich bin sehr zufrieden“, sagt Manuel S, der heute nach seinem überstandenen Dickdarmkrebs viel bewusster lebt. „Ich möchte jedem raten zur Krebsvorsorge zu gehen – ohne wäre ich nicht mehr.“
Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB)/ J.F. Saba
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Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller bösartigen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das "Centrum für Integrierte Onkologie - CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf" gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.