Wie Immunzellen Krankheitserreger „erschnüffeln“
Forschende der Universität Bonn schauen mit innovativer Methode Immun-Rezeptoren bei der Arbeit zu
Immunzellen sind dazu in der Lage, Infektionen wie ein Spürhund zu „erschnüffeln“. Sie nutzen dazu spezielle Sensoren, die sogenannten Toll-like-Rezeptoren (TLR). Doch durch welche Signale werden TLR aktiviert? Und wie hängen Ausmaß und Art der Aktivierung von der detektierten Substanz ab? In einer aktuellen Studie haben Forschende der Universität Bonn und des Universitätsklinikums Bonn (UKB) eine innovative Methode genutzt, um diese Fragen zu beantworten. Ihr Ansatz könnte dabei helfen, die Suche von Wirkstoffen gegen Infektionskrankheiten, Krebs, Diabetes oder Demenz zu beschleunigen. Die Ergebnisse sind in der Zeitschrift Nature Communications erschienen.
Viele Zellen im Körper – vor allem solche in den Schleimhäuten und die des Immunsystems – tragen auf ihrer Oberfläche zahlreiche TLR. Diese funktionieren ähnlich wie die Riechrezeptoren in der Nase: Wenn sie auf ein spezifisches chemisches Signal stoßen, werden sie aktiviert. Der Alarm, den sie dabei auslösen, führt dann im Zellinnern zu einer Reihe von Reaktionen. Wenn Fresszellen ein Bakterium „erschnüffeln“, leiten sie zum Beispiel die Phagocytose ein, bei der sie den Erreger umfließen und verdauen. Andere Immunzellen schütten beispielsweise spezielle Botenstoffe aus und locken dadurch weitere Abwehrtruppen an, so dass eine Entzündung entsteht.
TLR werden durch Gefahrensignale aktiviert
Es gibt verschiedene Gruppen von Toll-like-Rezeptoren, die jeweils auf unterschiedliche „Gerüche“ ansprechen. „Dabei handelt es sich um Moleküle, die sich im Laufe der Evolution als wichtige Gefahrensignale herauskristallisiert haben“, erklärt Prof. Dr. Günther Weindl vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn. Dazu gehören etwa Lipopolysaccharide, abgekürzt LPS – das sind wichtige Bestandteile der bakteriellen Zellwand.
„Noch nicht vollständig geklärt ist in vielen Fällen, zu welchen Antworten ein detektiertes Signal führt“, sagt Weindl, der auch Mitglied in den Transdisziplinären Forschungsbereichen (TRA) „Life & Health“ und „Sustainable Futures“ ist. „So ist es zum Beispiel denkbar, dass unterschiedliche Moleküle ein und denselben TLR stimulieren, dabei aber verschiedene Reaktionen auslösen.“
Normalerweise untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese Frage mit farbig markierten Molekülen. Dadurch lässt sich beispielsweise sichtbar machen, wenn durch den Rezeptor ein bestimmter Signalweg angeschaltet wird, bei dem diese Moleküle eine wichtige Rolle spielen. Diese Methode ist jedoch sehr aufwändig und erfordert, dass man die Signalwege, die beeinflusst werden könnten, schon sehr gut kennt.
„Wir haben dagegen ein anderes Verfahren erprobt, das ohne Farbmarkierungen auskommt“, sagt Weindl. „Es wurde bereits erfolgreich zur Aufklärung der Arbeitsweise anderer Rezeptoren eingesetzt. Wir haben mit dieser Methode nun erstmals TLR untersucht.“ Das Verfahren basiert darauf, dass Zellen bei Kontakt zu einem Signalmolekül meist ihre Gestalt ändern. Dadurch bereiten sie sich etwa darauf vor, ein Bakterium zu „verschlucken“ oder in ein erkranktes Gewebe einzuwandern.
Wellenlängenänderung macht TLR-Aktivierung sichtbar
Diese Änderung der Gestalt lässt sich sehr einfach sichtbar machen. Dazu setzt man die Zellen auf eine speziell beschichtete transparente Platte und bestrahlt sie von unten mit einer Breitband-Lichtquelle. Dort, wo das Licht auf die Beschichtung trifft, werden bestimmte Bereiche (Wellenlängen) des Lichtspektrums zurückgestrahlt. Welche Wellenlängen zurückgeworfen werden, hängt von den Vorgängen und Veränderungen in der Zelle ab.
„Wir konnten zeigen, dass diese Änderungen der reflektierten Wellenlängen bereits wenige Minuten nach Zugabe des Signalmoleküls einsetzen“, sagt Weindls Mitarbeiterin Dr. Janine Holze. „Wir haben zudem Zellen mit Lipopolysacchariden aus E. coli und aus Salmonellen konfrontiert. Beide Zellwandkomponenten stimulieren denselben TLR. Dennoch veränderte sich das zurückgestrahlte Spektrum nach Gabe der E. coli-LPS auf andere Weise als nach Gabe des Salmonellen-Pendants.“ Das spricht dafür, dass ein und derselbe Rezeptor durch unterschiedliche Moleküle auf verschiedene Weisen aktiviert wird und dann je nach Signal spezifische Antworten auslöst.
„Das Verfahren erlaubt es daher, die Funktionsweise der Rezeptoren viel differenzierter aufzuklären als bislang“, betont Weindl. „Zudem vereinfacht es die Suche nach möglichen Medikamenten mit einem ganz bestimmten Wirkprofil.“ Mit ihnen ließe sich zum Beispiel die Immunreaktion verstärken, so dass die körpereigenen Abwehrtruppen Krebszellen wirksamer bekämpfen als bislang. Bei Erkrankungen wie Diabetes, Rheuma oder Alzheimer möchte man dagegen spezifische Aspekte der Immunantwort abschwächen, die ansonsten gesundes Gewebe schädigen können. Vielleicht bringt die neue Methode die Forschung auf diesem Weg einen Schritt weiter.
Förderung:
Die Studie wurde durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Neben der Universität Bonn war auch das Universitätsklinikum Bonn (UKB) an der Studie beteiligt.
Publikation:
Janine Holze, Felicitas Lauber, Sofía Soler, Evi Kostenis & Günther Weindl: Label-free biosensor assay decodes the dynamics of Toll-like receptor signaling; Nature Communications; DOI/10.1038/s41467-024-53770-9
https://www.nature.com/articles/s41467-024-53770-9
Kontakt für die Medien:
Prof. Dr. Günther Weindl
Pharmazeutisches Institut
Universität Bonn
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Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller onkologischen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das "Centrum für Integrierte Onkologie - CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf" gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.