Seltene genetische Varianten besser beurteilen

Bonner Forschende erarbeiten federführend Klassifikations-Kriterien für Gen-Varianten, die zu erblichen Darmkrebs führen können

Bonn, 07. Dezember – Die genetische Sicherung der Verdachtsdiagnose „Erblicher Darmkrebs“ hat große Bedeutung für die medizinische Versorgung der betroffenen Familien. Aber viele der in den bekannten Genen identifizierten Varianten lassen sich derzeit hinsichtlich ihrer ursächlichen Rolle bei der Tumorbildung noch nicht sicher einordnen. Unter Federführung des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Bonn (UKB) hat ein internationales Forscherteam gen-spezifische Klassifikations-Kriterien erarbeitet, durch die bei einem nennenswerten Anteil unklarer Varianten deren medizinische Relevanz neu bewertet werden kann. Die Studienergebnisse werden demnächst im renommierten Fachjournal „Genetics in Medicine“ veröffentlicht. Der Fachartikel ist bereits online einsehbar. 

In Familien mit erblichen Tumorerkrankungen besteht ein hohes Risiko für das Auftreten bestimmter Krebserkrankungen wie zum Beispiel Darmkrebs oder Brustkrebs. Für viele häufig vorkommende erbliche Tumorsyndrome gibt es inzwischen sehr wirksame, intensive und früh beginnende Krebs-Früherkennungs-Programme und andere vorbeugende Maßnahmen. Die rechtzeitige Erkennung und sichere Diagnose einer erblichen Veranlagung ist deshalb für die betroffenen Familien äußerst wichtig.

Seltene Gen-Varianten mit unklarer Relevanz für Tumorbildung

Durch die zunehmend umfangreicheren genetischen Untersuchungen werden in den verantwortlichen Erbanlagen aber auch immer mehr seltene genetische Varianten gefunden, deren ursächliche Bedeutung für die Tumorentstehung derzeit noch unklar ist. Man spricht hier von Varianten unklarer Signifikanz (VUS). Dies hat zur Folge, dass es sich bei den in öffentlichen internationalen Datenbanken (insbesondere ClinVar) gelisteten genetischen Varianten inzwischen bei manchen Genen in über 50 Prozent der Varianten um eine VUS handelt. „Diese Varianten können nicht zur Diagnosestellung und auch nicht zur Testung gesunder Risikopersonen verwendet werden; andererseits erzeugen sie aber oft große Unsicherheit, da Träger einer VUS möglicherweise ein erhöhtes Tumorrisiko tragen“, sagt Erstautorin Dr. Isabel Spier vom Institut für Humangenetik. „Die ursächliche Bedeutung von VUS für die Krebsveranlagung zu klären, trägt deshalb direkt zu einer besseren Patientenversorgung bei.“

Mögliche Entlastung von Trägern seltener Gen-Varianten

Am Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen des UKB beschäftigen sich Forschende seit Jahren mit der Identifizierung neuer genetischer Ursachen für erbliche Tumorerkrankungen. Unter Führung des Instituts für Humangenetik wurde jetzt eine Studie zur besseren Charakterisierung genetischer Varianten in „Genetics in Medicine“ publiziert, der offiziellen Fachzeitschrift des American College of Medical Genetics and Genomics (ACMG). Die Forschergruppe um Prof. Stefan Aretz arbeitete hierzu mit einem internationalen und multidisziplinären Expertenteam aus Ärzten und Biologen zusammen. Die Gruppe entwickelte und validierte spezifische Klassifikationskriterien zur Beurteilung von Varianten im APC-Gen. Erbliche genetische Veränderungen des APC-Gens sind ursächlich für die Familiäre adenomatöse Polyposis (FAP), einer der häufigsten Ursachen für den erblichen Darmkrebs beziehungsweise erblichen Polypen-Erkrankungen des Magendarmtrakts. „Die entwickelten Gen-spezifischen Klassifikationskriterien erlauben es zukünftig, einen deutlichen Anteil von VUS des APC-Gens in eine medizinisch relevante Kategorie zu reklassifizieren“ erläutert Spier. „Wir gehen davon aus, dass ein großer Teil der VUS als harmlose, seltene Normvarianten bewertet wird. Hierdurch können dann weltweit alle Träger dieser Varianten entlastet werden.“

„Die Studie war nur möglich durch unsere gute weltweite wissenschaftliche Vernetzung und den Aufbau eines internationalen Komitees zur Variantenbeurteilung, den wir insbesondere zusammen mit der International Society for Gastrointestinal Hereditary Tumours (InSiGHT) und der Clinical Genome Resource (ClinGen) durchführten“, sagt Prof. Aretz. „Hervorheben möchte ich die enge Zusammenarbeit mit Dr. Xiaoyu Yin aus Melbourne in Australien, während ihres sechsmonatigen Aufenthalts als Gastwissenschaftlerin am UKB.“ Im Anschluss planen die Bonner Forschenden eine umfangreiche Reklassifizierungsstudie, um möglichst alle bisher bekannten VUS im APC-Gen bezüglich ihrer Relevanz neu zu bewerten. Die Arbeiten dienen auch als Modellprojekte für ähnliche Ansätze bei anderen Krebsgenen.

 

Publikation:
Isabel Spier, Xiaoyu Yin, et al., Gene-specific ACMG/AMP classification criteria for germline APC variants: recommendations from the ClinGen InSiGHT Hereditary Colorectal Cancer / Polyposis Variant Curation Expert Panel, Genetics in Medicine, 2023,
DOI: https://doi.org/10.1016/j.gim.2023.100992

Wissenschaftlicher Kontakt:
Dr. Isabel Spier
Fachärztin für Humangenetik
Institut für Humangenetik
Zentrum für erbliche Tumorerkrankungen
Universitätsklinikum Bonn
Tel.:  +49 (0)228 287 51020
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Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Andreas Stein

Pressekontakt:
Dr. Inka Väth
stellv. Pressesprecherin am Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Stabsstelle Kommunikation und Medien am Universitätsklinikum Bonn
Telefon: (+49) 228 287-10596
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Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller bösartigen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das "Centrum für Integrierte Onkologie - CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf" gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.

 
 
 
 

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