Aufhebung der Resistenz gegen den Arzneistoff Erdafitinib bei Urothelkarzinom

Bonner Forschende finden heraus, dass ein Protein aus Vorläufern des Fettgewebes ursächlich für das Therapieversagen ist und entwickeln Lösungsstrategie

 

Urothelkarzinome sind bösartige Tumore, die vom Epithel ausgehen, welches zum Beispiel die Harnblase sowie die Harnleiter auskleidet. Sie gehören immer noch zu einer der häufigsten Krebsarten in Europa, vor allem bei Männern. Prognostisch relevant ist neben einer frühzeitigen Diagnosestellung vor allem die Tumorausdehnung, die letztlich über die Invasivität der Behandlung sowie die pharmakologischen Therapiemöglichkeiten entscheidet.

Mehrere Studien konnten zeigen, dass genetische Veränderungen in der Fibroblasten-Wachstumsfaktor Rezeptorfamilie, kurz FGFR, eine zentrale Rolle bei verschiedenen Krebsarten, so auch beim Urothelkarzinom, spielen. Diese Rezeptoren binden an verschiedene Fibroblasten-Wachstumsfaktoren FGF, die als Signalproteine unter anderem das Zellwachstum regulieren. Nach der Bindung setzen die so aktivierten FGFRs, die zu den Rezeptor-Tyrosinkinasen gehören, eine Signalkaskade in der Zelle in Gang. Der FGFR-Signalweg ist so an vielen zentralen Vorgängen der Zellentwicklung wie Wachstum, Differenzierung, Migration und dem Überleben der Zelle beteiligt. Daher wird seit kurzem neben der Erstlinientherapie, also das Mittel der ersten Wahl, eine zielgerichtete Krebstherapie bestehend aus dem Tyrosinkinase-Inhibitor Erdafitinib eingesetzt, der alle Unterformen der FGFR-Familie beziehungsweise deren nachgeschalteten Signalwege blockiert. „Leider ergaben nachfolgende klinische Studien ein schnelles Therapieversagen mit Tumorprogress und somit nur einen vorübergehenden Überlebensvorteil der betroffenen Patienten, was auf die Entwicklung von Resistenzmechanismen gegenüber Erdafitinib zurückzuführen ist“; sagt Dr. Abdullah Alajati, Leiter des Forschungslabors der Klinik für Urologie und Kinderurologie am Universitätsklinikum Bonn (UKB). Er forscht auch an der Universität Bonn.

 

HER3-Antikörpertherapie durchbricht Resistenzmechanismus

Das Team des urologischen Forschungslabors rund um den Leiter Dr. Alajati legte daher bei der Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen den Fokus vor allem auf den bis jetzt noch wenig untersuchten Einfluss des Tumormikromilieus, also der direkten Umgebung eines Tumors, der sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. „Wir fanden heraus, dass ein bestimmter Zelltyp und zwar Präadipozyten, also Vorläuferzellen des Fettgewebes, maßgeblich an der Resistenzentwicklung der Tumorzellen in Urothelkarzinomen beteiligt sind“, sagt Dr. Alajati. Diese Vorläuferadipozyten sekretieren ein bestimmtes Protein, das Neuregulin-1 (NRG1). Als einer der wichtigsten Liganden der Rezeptor-Tyrosin-Proteinkinase ErbB-3, auch bekannt als HER3 (human epidermal growth factor receptor 3), aktiviert NRG1 diesen alternativen Signalweg. Dadurch werden die Tumorzellen aber unempfindlich gegenüber der Erdafitinib-Behandlung. „Wir konnten zeigen, dass ein Ausschalten des NRG1-Gens dazu führt, dass die Zellen ihre Resistenz gegenüber Erdatifinib verlieren, wodurch sehr deutlich wird, dass das Protein NRG1 der Vermittler dieser Resistenz sein muss“, erklärt Dr. Alajati.

Um ihre Hypothese bestärken zu können, verwendete das Team den bereits im klinischen Alltag etablierten Antikörper Pertuzumab, der eine Aktivierung des NRG1/HER3-Signalweges verhindert. „Interessanterweise wird das Tumorwachstum unter gleichzeitigem Einsatz von Erdafitinib und Pertuzumab wieder unterdrückt, das sich auch im Mausmodell durch einen positiven Einfluss auf das Gesamtüberleben bestätigen ließ“, sagt Doktorandin Sana Hosni, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungslabor der Klinik für Urologie und Kinderurologie am UKB. Viola Kilian, Doktorandin an der Universität Bonn, ergänzt: „Das heißt die Erdafitinib-Resistenz konnte durch die zusätzliche Blockade der HER3-Signalübermittlung aufgehoben werden“. Das Team erhofft sich, dass diese Forschungsergebnisse und die daraus hervorgehenden Hypothesen in weiteren, vor allem klinischen Studien, evaluiert werden, um in naher Zukunft wirksame Kombinationstherapien bei der Behandlung von Patienten mit metastasierten Urothelkarzinomen einsetzen zu können. „Da der NRG1/HER3-Signalweg auch bei anderen Tumorentitäten wie Brustkrebs oder Eierstockkrebs eine wichtige Rolle spielt, könnten unsere Ergebnisse darüber hinaus sehr relevant sein“, sagt Dr. Alajati.

Die Ergebnisse dieser Studie sind jetzt im renommierten Fachjournal „Cancer Research“ veröffentlicht:
Sana Hosni et al; Adipocyte precursor-derived NRG1 promotes resistance to FGFR inhibition in urothelial carcinoma; Cancer Research; DOI: 10.1158/0008-5472.CAN-23-1398
Hier geht es direkt zu Publikation: https://doi.org/10.1158/0008-5472.CAN-23-1398

 

Bildnachweis: Universitätsklinikum Bonn (UKB) / Alessandro Winkler

 

 


Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller bösartigen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das "Centrum für Integrierte Onkologie - CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf" gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.

 
 
 
 
 

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