Neue Erkenntnisse zum Immunsystem
Bonner Forschende entschlüsseln einen zugrundeliegenden Mechanismus zur Entstehung von Follikulären T-Helferzellen
Bonn, 04. März – Follikuläre T-Helferzellen (Tfh) sind essentiell für starke Antikörper-vermittelte Reaktionen unseres Immunsystems bei Infektionen und Impfungen. Geraten sie aber außer Kontrolle, kann dies Krankheiten wie Autoimmunität, Allergien oder Krebs verursachen. Forschende vom Universitätsklinikum Bonn (UKB) und vom Exzellenzcluster ImmunoSensation2 der Universität Bonn untersuchten im Mausmodell die zugrundeliegenden Mechanismen der Entstehung von Tfh-Zellen und entschlüsselten so deren innere Vernetzung. Sie erhoffen sich davon neue Strategien für die Entwicklung hochwirksamer Impfstoffe und neuer Therapien zur Bekämpfung verschiedener Erkrankungen. Die Ergebnisse sind jetzt im renommierten Fachjournal „Science Immunology“ veröffentlicht.
Follikuläre T-Helferzellen (Tfh-Zellen) sind eine spezialisierte Untergruppe innerhalb der so genannten CD4+ T-Helferzellen im Immunsystem. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, den B-Zellen bei der Immunabwehr Hilfe zu leisten. Sie sind von essenzieller Bedeutung für die Generierung hochwirksamer Antikörper. Somit sind Tfh-Zellen entscheidend am Schutz vor Infektionen und deren Bekämpfung beteiligt. „Obwohl Tfh-Zellen erstmals vor über 20 Jahren beschrieben wurden, gibt es noch immer kein zuverlässiges Protokoll für ihre Erzeugung in der Zellkultur“, beschreibt Co-Erstautor Dr. Yinshui Chang, ehemaliger Postdoktorand der Universität Bonn am UKB, die Motivation sich den Prozess im Mausmodell näher anzuschauen.
Der transformierende Wachstumsfaktor TGF‑β gehört zu den Zytokinen. Das ist eine Gruppe von Proteinen, die das Wachstum und die Differenzierung von Zellen einleitet und reguliert. Das Bonner Team um Prof. Dr. Dirk Baumjohann fand jetzt heraus, dass dieses Signalmolekül eine starke Proteinexpression sowohl des Transkriptionsfaktors Bcl6, als auch des für Tfh-Zellen charakteristischen Chemokin-Rezeptors CXCR5 induziert. Letzterer spielt eine wichtige Rolle bei der zielgerichteten Wanderung von Tfh-Zellen in die Nähe von B-Zellen. „Wir konnten zeigen, dass die von TGF‑β in der Zellkultur induzierten Tfh-Zellen sehr ähnlich zu denen in einem lebenden Organismus generierten Tfh-Zellen sind. Sie leisten die entscheidende Hilfe für B-Zellen“, sagt Co-Erstautorin Luisa Bach, Doktorandin der Universität Bonn am UKB.
Transkriptionsfaktor c-Maf lenkt das Schicksal von T-Helferzellen
Mittels eines neuen auf der CRISPR-Genschere basierten Verfahrens fand das internationale Team um die Bonner Forschenden heraus, dass die durch TGF‑β induzierte Produktion von CXCR5 zwar unabhängig vom Transkriptionsfaktor Bcl6 ist, jedoch den Transkriptionsfaktor c-Maf erfordert. Bemerkenswert ist, dass obwohl Tfh- und Th17-Zellen teilweise gemeinsame Entwicklungsstadien durchlaufen, c-Maf als Schaltfaktor für Tfh- versus Th17-Zellschicksale wirkt. Th17-Zellen sind ein weiterer spezieller Typ von CD4+ T-Helferzellen und spielen in bakteriellen Infektionen und Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle.
„Insgesamt klären unsere Daten wichtige Aspekte der seit langem unklaren Voraussetzungen und molekularen Wege für die Entstehung von Tfh-Zellen. Zudem unterstreichen sie die vielfältigen Funktionen des transformierenden Wachstumsfaktors TGF‑β. Auch ergeben sich daraus Hinweise, dass die Tfh-Zellentwicklung von Maus und Mensch möglicherweise nicht so unterschiedlich ist, wie wir bisher angenommen haben“, sagt Prof. Baumjohann von der Medizinischen Klinik III für Hämatologie, Onkologie, Immunonkologie und Rheumatologie am UKB, der Mitglied im Exzellenzcluster ImmunoSensation2 und im Transdisziplinären Forschungsbereich (TRA) „Life & Health“ der Universität Bonn ist. „Wichtig ist, dass unsere Ergebnisse Auswirkungen auf die Entwicklung neuer therapeutischer Strategien haben können, die die Tfh-Zellen bei Impfungen und Infektionen verstärken oder sie bei Autoimmun- und Allergieerkrankungen hemmen.“
Förderung: Die Studie wurde unter anderem mit Forschungsgeldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), des Exzellenzclusters ImmunoSensation2 und des Bonn-Melbourne Research Excellence Fund der Universitäten Bonn und Melbourne gefördert.
Publikation:
Yinshui Chang, Luisa Bach et al; TGF‑β specifies TFH versus TH17 cell fates in murine CD4+ T cells through c-Maf; Science Immunology;
DOI: https://doi.org/10.1126/sciimmunol.add4818
Wissenschaftlicher Kontakt:
Prof. Dr. Dirk Baumjohann
Medizinische Klinik III für Hämatologie, Onkologie, Immunonkologie und Rheumatologie
Universitätsklinikum Bonn
Exzellenzcluster ImmunoSensation2 & TRA „Life & Health“, Universität Bonn
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Das Centrum für Integrierte Onkologie – CIO Bonn ist das interdisziplinäre Krebszentrum des Universitätsklinikums Bonn. Unter seinem Dach arbeiten alle Kliniken und Institute am Universitätsklinikum zusammen, die sich mit der Diagnose, Behandlung und Erforschung aller onkologischen Erkrankungen befassen. Das CIO Bonn gehört zum bundesweiten Netzwerk ausgewählter Onkologischer Spitzenzentren der Deutschen Krebshilfe. 2018 wurde aus dem seit 2007 bestehenden CIO Köln Bonn mit den universitären Krebszentren aus Aachen, Köln und Düsseldorf das "Centrum für Integrierte Onkologie - CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf" gegründet. Gemeinsam gestaltet dieser Verbund die Krebsmedizin für rund 11 Millionen Menschen.
Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.